Die Nachhaltigkeitswissenschaft als eine Bezugsdisziplin von BNE 

Will BNE ihrem Anspruch gerecht werden, Herausforderungen des Zusammenlebens im 21. Jahrhundert verstehbar zu machen, benötigt BNE im Sinne einer Bezugsdisziplin eine wissenschaftliche Grundlage. Die Nachhaltigkeitswissenschaft (NWH) könnte als solche dienen (Wilhelm & Kalcsics, 2023). Sie ist seit über zwei Jahrzehnten etabliert und findet weltweit Unterstützung. Es gilt jedoch hervorzuheben, dass der Status der NHW als eigenständige Disziplin umstritten ist. Bezugnehmend auf Kudo und Mino (2020) wird sie bei der Entwicklung von BNE an der PH Luzern aktuell als Metadisziplin betrachtet, das heisst als Forschung, die kontextbezogen Zugänge und Methoden anderer Wissenschaften nutzt, um Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen. So ist erstens ein zentrales Merkmal der NHW, dass ihr Augenmerk auf dem Verständnis komplexer Wechselwirkungen zwischen sozialen und natürlichen Systemen (Kudo & Mino, 2020, S. 4; Tretter, Simon & Glaeser, 2019, S. 174) liegt. Dies erfordert zweitens eine Abkehr von der reduktionistischen Perspektive der traditionellen Disziplinen, um sich verschiedenen akademischen Wissensbeständen zuzuwenden und diese transdisziplinär mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zu verbinden (Wiek, Farioli, Fukushi & Yarime, 2012). Drittens betonen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der NHW deren transformative Ausrichtung, die sich beispielsweise an den SDGs orientieren kann. Damit zeigt sich viertens, dass die NHW sowohl eine deskriptive (u.a. Erarbeitung von Systemverständnis) wie auch normative Fundierung (u.a. Ausrichtung an SDGs) aufweist.

Gerade diese normativen Setzungen gilt es in der Bildung kritisch zu überdenken. Die SDGs sind das Resultat eines politischen Prozesses und ihre vollumfängliche Umsetzbarkeit ist zumindest zu hinterfragen (Vgl. Abs. 2.1). Aus diesem Grund ist es zentral, dass Disziplinen wie die Ethik oder die Politikwissenschaften als integraler Bestandteil der NHW anerkannt werden, anstatt dass politische und normative Setzungen übernommen werden, ohne deren Entstehung und Inhalt im Unterricht kritisch zu reflektieren (Wilhelm & Rinaldi, 2023). Denn nachhaltige systemische Veränderungen sind nur möglich, wenn sie über politische und gesellschaftliche Prozesse erfolgen. Umso wichtiger ist es, dass sich BNE mit solchen Prozessen befasst (vgl. z.B. Kranz, Schwichow, Breitenmoser & Niebert, 2022). Dazu ist eine spezifische Didaktik vonnöten, welche die Grundlage für das fachdidaktische Wissen von Lehrenden bildet.